Nicht nur auf der Fintech Week in Hamburg, sondern auch in der gesamten Finanzwelt wird es aktuell heißt diskutiert: Wie sieht die Zukunft der Branche aus? Machen die Fintechs den Banken Konkurrenz oder hilft langfristig nur die Zusammenarbeit? Wir wagen einen Blick in die Zukunft.
Zunächst: Die Fakten
Die Zahlen sehen (noch?) nicht gut aus für die Fintechs: Laut einer Studie von explorare sind sich über zwei Drittel der deutschen Bevölkerung (70 %) unklar darüber, was Fintechs überhaupt sind. Gar 92 % haben noch nie etwas von ihnen gehört. Doch ein Großteil der Deutschen ist Kunde einer Bank und wünscht sich den persönlichen Kontakt mit ihrem Berater oder kommt zumindest ab und zu dort vorbei, um Geld abzuheben. Und doch nutzen immer mehr Deutsche die Produkte und Services der Fintechs.
Wer hat die Kunden? Wer hat die Technologie?
Den Fintechs wird großes Potential zugeschrieben, denn sie setzen da an, wo Banken häufig zu langsam und wenig kundenorientiert agieren: bei der Bereitstellung neuer Technologien, die das Verwalten der Finanzen vereinfach und rund um die Uhr zugänglich machen. Denn die Gründer der Fintechs sind meist selbst Teil derjenigen Generation, die mit den neuen Technologien aufgewachsen ist, sie kennen ihre Zielgruppe und deren Bedürfnisse genau. Die so genannten „Digital Natives“ erwarten die schnelle und unkomplizierte Erfüllung ihrer Bedürfnisse – in allen Belangen des Alltags.
Und Fintechs bewegen sich schnell, sie sind flexibel – nicht zuletzt, weil sie zumeist ohne Banklizenz und somit ohne „störende“ Regulierung durch die BaFin agieren können. Sie sind bereit, Risiken einzugehen, was häufig belohnt, manchmal aber auch abgestraft wird. Es gibt jedoch ein paar Bereiche, in denen sie es einfach nicht mit den Banken aufnehmen können. Denn die Banken haben durch ihren großen Kundenstamm eine hohe Reichweite und verfügen über das Vertrauen ihrer Kunden. Auch manch schlechte Presse hat noch nicht zu der viel zitierten Disruption durch die Fintechs geführt.
Wo das alles hinführt: Evolution statt Disruption
Während die „Disruption“ noch in aller Munde ist und in der Finanzbranche heiß diskutiert wird, stehen die Zeichen längst auf Evolution. Die Fintechs entwickeln sich weiter, werden erwachsen, manche etablieren sich, manche verschwinden wieder vom Markt. Fintechs, die eine eigene Banklizenz erwerben, emanzipieren sich von den Banken, während andere junge Unternehmen für beide Seiten gewinnbringende Kooperationen mit den Geldhäusern eingehen. Einige Banken entwickeln eigene Technologien, manche kaufen „einfach“ ein Fintech. Es gibt nicht nur einen Weg, der in die Zukunft führt; nur das Wissen, dass der eine vom anderen lernen und profitieren kann.
Der Markt und die Bedürfnisse der Kunden geben den Weg vor, dem es zu folgen gilt. Wer nah beim Kunden ist und ein Ohr am Puls der Zeit hat, kann das Rennen um die ersten Ränge gewinnen. Es locken insgesamt hohe Investitionsvolumina, innovationsoffene User und bislang kaum bis gar nicht erschlossenen Zielgruppen, wie beispielsweise die der Anleger kleiner bis mittlerer Vermögen. Die Möglichkeiten sind hierbei ebenso vielfältig und individuell wie der Markt. Und der bewegt sich schnell.
Zweckgemeinschaft oder Liebesheirat? Ein Ausblick
Die Zukunft liegt in der Zusammenarbeit dieser auf den ersten Blick so unterschiedlichen Finanzdienstleister. Während Banken neugierig und beweglich bleiben müssen, müssen Fintechs erwachsen und seriös werden. Jeder hat etwas zu bieten, was dem anderen fehlt. Gute Voraussetzungen für beide. Die Zeiten der Konfrontation scheinen vorbei, alle Beteiligten richten den Blick auf eine ertrag- und erfolgreiche gemeinsame Zukunft.
Es gibt durchaus Experten – zumeist Spezialisten etablierter Banken –, die behaupten, dass die Filiale und der persönliche Ansprechpartner eine Renaissance erleben werden. Das eine schließt das andere jedoch nicht zwangsläufig aus. Durch die effiziente Nutzung ihrer Synergien können Banken und Fintechs gemeinsam Hybridmodelle entwickeln, die es ihnen ermöglichen, den Ansprüchen zahlreicher Zielgruppen in allen Belangen gerecht zu werden. Auch die rasante Digitalisierung und der damit verbundene Kosten- und Innovationsdruck machen eine Zusammenarbeit scheinbar unausweichlich.
Im ersten Schritt gehen Fintech und Banken vielleicht „nur“ eine Zweckgemeinschaft ein, eine Partnerschaft, um sich gemeinsam den Bedürfnissen der Kunden zu stellen und die Innovationen anzugehen, die der Markt braucht, um zu wachsen und zu gedeihen. „Wenn der Bund zwischen Fintechs und Banken von gegenseitiger Akzeptanz und der Begegnung auf Augenhöhe geprägt ist, kann aus der Zweckgemeinschaft langfristig eine echte Liebesehe werden.“, so Marcus Schad, Geschäftsführer von SWI FINANCE. Denn auf diesem Weg könnten beide Unternehmen gemeinsam ein passgenaues Angebot für den anspruchsvollen Kunden entwickeln. Denn am Ende ist es einzig die Akzeptanz durch den Kunden, die über Erfolg oder Misserfolg eines Produkts oder eines Services entscheidet.
Wie auch im richtigen Leben wird es eine weitere wichtige Aufgabe in der Liebesbeziehung zwischen Fintechs und Banken sein, daran zu arbeiten, dass die Liebe nicht zur Gewohnheit wird. Es gilt, sich gemeinsam kontinuierlich weiterzuentwickeln, den Kunden und seine Bedürfnisse im Blick zu behalten und sich gegenseitig zu inspirieren.